Ich bin ein fauler Mensch. Aber dadurch unterscheide ich mich nicht sehr von anderen Menschen. Der Mensch lässt lieber andere (und demnächst die KI) denken, als es selber zu tun. Aber ich interessiere mich für "Gott und die Welt" und oft stelle ich beim Lesen oder Hören fest: Ein interessanter Gedanke.  Diese Erleuchtungen möchte ich hier festhalten und das geschieht oft in den Worten der jeweiligen Autoren.

Schon wieder GroKo?

Sonntag, 12. Januar 2025. Es sind noch 6 Wochen bis zur nächsten Bundestagswahl. Im Fernsehen wird die  Caren Miosga Sendung mit obiger Frage angekündigt. Was soll das denn? Wir haben doch noch gar nicht gewählt. Wäre es nicht sinnvoller über die Wahlprogramme der verschiedenen Parteien und deren Finanzierung zu reden?

Entschuldigung! Ich weiß, ich bin naiv. Eine Talkshow lebt nicht von Fakten und Zahlen, sondern von der Spekulation. 

Ich träume trotzdem davon, dass die Menschen in Deutschland die Wahlprogramme lesen, vergleichen, sich eine Meinung bilden und dann die Partei wählen, deren Programm sie am besten finden. 

Und noch etwas wünsche ich mir: Dass das Thema Kompromiss, das in vielen Bereichen des Lebens ganz normaler Bestandteil von Vereinbarungen ist, endlich auch in die Politik Einzug hält. Dort scheint leider immer noch das Gewinner - Verlierer - Denken das Maß aller Dinge zu sein. 

So, ich träume nun weiter bis zum Tag der Wahl - und wahrscheinlich auch noch danach......

Aus dem Roman "Oxygen" von Andreas Brandhorst

16. Januar 2025

"Unterschätzen Sie nicht die Dummheit der Menschen. Sie sind immer bereit, den Lügen zu glauben, die ihnen gefallen. Und sie lehnen alles ab, was ihnen Angst macht." 

Dieses Zitat gilt sicher ganz allgemein und ist zeitlos. Aber im Moment scheint es unglaublich aktuell und besonders bedrohlich. Stichworte: Trump, alternative Wahrheiten, AFD, ....)

Was jetzt (nach der Wahl) Not tut. Aus DIE ZEIT 10/2025

06.03.2025

Neben all dem Geld, was nötig ist   .....

Schluss sein muss auch mit dem hirntoten Kulturkampf, bei dem man dem politischen Gegner auf Nebenkriegsschauplätzen das jeweils Schlechteste unterstellt, ihn verdächtig und verächtlich macht. Man konnte vergangenen Freitag im Oval Office sehen, wo das endet: in genießerischer Demütigung, in offener Aggression, in Pöbelei. Das muss auch der CDU und sogar der CSU schleunigst klar werden. Demokratie braucht Anstand, braucht Form und Benehmen. Wenn der politische Wettbewerb nur noch um Triumph oder Schande geht, dann wird die zivile Grundlage von Demokratien ausgehöhlt.

Und mit Zivilität beginnt alles und endet alles. Was Deutschland also am meisten zurückgewinnen muss, das sind Selbstrespekt und demokratische Selbstwirksamkeit. Wenn wir nicht enden wollen wie die USA: als Zerrbild unserer selbst.

"Unser Gehirn soll uns ja nicht zur Wahrheit führen, sondern durchs Leben" Aus DIE ZEIT 35/2025

Wenn man den Umfrageergebnissen der vergangenen Jahre glauben darf, dann sind die Köpfe der Deutschen voll von Überzeugungen, wie man sie nicht in der Schule lernt: Regierungsbehörden überwachen uns (das glauben 17 Prozent). Die Alliierten waren schuld an der Zerstörung Deutschlands im Zweiten Weltkrieg (27 Prozent). Geheime Mächte steuern die Welt (31 Prozent). Und 44 Prozent finden, dass man heutzutage aufpassen muss, was man sagt.

Wie kommt das denn?

 

Ein Besuch beim Psychiater schadet sicher nicht, um einer Antwort näher zu kommen. Zu diesem Beruf gehört doch, dass man Grenzen zieht zwischen plausiblen Überzeugungen und Spinnerei. Philipp Sterzer allerdings sieht das ein wenig anders. Von ihm stammt ein Buch mit dem Titel Die Illusion der Vernunft. Darin schreibt er, dass normale und wahnhafte Ideen einander sehr ähnlich sind. Sie entstehen auf dieselbe Art und dienen demselben Zweck: »uns einen Reim auf die Ungereimtheiten in der Welt um uns herum zu machen«.

Ich besuche Sterzer an der Universitätsklinik in Basel. Zu meiner leisen Enttäuschung empfängt mich kein Advocatus Diaboli, sondern ein bedächtiger, absolut vernünftiger Mann. Sein Blick auf Überzeugungen beginnt im Gehirn. Das bekommt von der Welt nichts mit bis auf eine Flut von Sinnesreizen. Es formt sie zu komplexen Mustern, einer Fantasie von Wirklichkeit. Auf dieses fragile Gebilde türmen sich dann unsere Überzeugungen: »Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit«; »Aus Klimaschutzgründen sollte man nicht so viel fliegen«; »Jeffrey Epstein wurde ermordet«. Wo nehmen wir die her?

Unser Gehirn soll uns ja nicht zur Wahrheit führen, sondern heil durchs Leben

 

Sterzers Antwort ist ernüchternd: Vieles plappern wir ungeprüft nach – erst den Eltern und den Lehrern, »später dann Wissenschaftlern oder Politikern, Leuten eben, denen wir vertrauen«.

Und Fakten spielen gar keine Rolle? Doch, schon. Nur hat unser Gehirn eine sehr spezielle Art, mit ihnen umzugehen. Hier kommen kognitive Verzerrungen ins Spiel. Sie bewirken, dass wir Informationen, die uns nicht passen, übersehen oder uns durch sie sogar bestätigt fühlen: »Wenn die das behaupten, ist ja klar ...«

An sich hat es sein Gutes, dass wir an Überzeugungen hartnäckig festhalten. Unser Gehirn soll uns ja nicht zur Wahrheit führen, sondern heil durchs Leben. Und versimpelnde oder sogar falsche Meinungen dienen dem Zweck vielleicht manchmal am besten. Doch natürlich bekommt Sterzer es oft mit Menschen zu tun, deren Überzeugungen sie krank machen, deren extreme Meinungen in den Wahn kippen. Er erzählt mir von einer Patientin, die glaubt, dass ihr ein Mikrochip eingepflanzt wurde, der ihre Gedanken steuert. Keine Untersuchung fand einen Chip, doch das konnte sie erklären: »Das Röntgenbild sei wahrscheinlich verwackelt gewesen, oder alle Ärzte steckten unter einer Decke.«

Philipp Sterzer kann schwärmen von der Hirnleistung, die gerade im irrationalen Denken steckt. Er warnt aber auch deutlich vor den Schäden, die es anrichtet. Man sollte es hinterfragen, sagt er, bei sich und bei anderen.

Dann machen wir das mal..........

Ich muss an Philipp Sterzer denken – die unheimliche Verwandtschaft von plausiblen Ideen und Wahn.

Eines an diesem Konzept verstehe ich noch nicht: Wenn unsere Überzeugungen reines Bauchgefühl sind, warum reden wir uns dann so streberhaft ein, wir seien durch Nachdenken darauf gekommen?

An dieselben Dinge zu glauben, schafft Nähe und Vertrauen, bisweilen auch Macht

 

Die Antwort darauf findet sich bei Jonathan Haidt: weil wir soziale Wesen sind – »groupish«, wie er das nennt. Wir denken nicht nach, um die Welt oder uns selbst besser zu verstehen. »Wir denken nach, um die besten Gründe zu finden, warum sich jemand anderes unserem Urteil anschließen sollte.«

An dieselben Dinge zu glauben, schafft Nähe und Vertrauen, bisweilen auch Macht. Für Haidt sind wir alle im Herzen Politiker: Wir treten für eine Sache ein, weil wir gewählt werden wollen. Und am glaubhaftesten wirken wir, wenn wir selbst überzeugt sind.

Je schlechter die Zeiten, so schreibt Haidt weiter, umso größer wird unser Verlangen, Teil einer Gruppe zu sein.

Aus demselben Artikel in der Zeit vom Politologen Littvay:

Es stimme zwar, dass die Gene eines Menschen beeinflussen, woran er glaubt. Doch je unfreier er lebe, umso weniger falle das ins Gewicht. Auch wer zum Rebellen geboren sei, werde keiner in Nordkorea. »In den letzten Jahrzehnten war es so: Leute hatten ihre Überzeugungen, und danach wählten sie ihre Partei. Heute wählen sie ihre Partei und glauben, was ihnen gesagt wird.«

Beim Blick auf das Parlament von Prag ist ein Beispiel rasch bei der Hand: »Fidesz, unsere Regierungspartei, war immer russlandkritisch. Bis die Russen uns vor etwa zehn Jahren beim Ausbau eines Atomkraftwerks halfen. Seitdem heißt es, wir sollen sie lieben. Und die meisten halten sich daran.«

Okay, denke ich, das hier ist Ungarn, eine Autokratie. Aber warum sollten die Leute in einem freien Land nachplappern, was eine Partei ihnen sagt? Warum sollte ihnen die Lust vergehen, Gegenmeinungen gelten zu lassen?

Während der Hirnforscher Sterzer von innen auf Überzeugungen schaut, tut der Politologe Littvay es von außen, von der Gemeinschaft – dem »Stamm«, wie er es nennt. »In solchen Strukturen haben Menschen über Jahrtausende gelebt: Die Ideologie besorgte der Anführer; und dem Dorftrottel sagte man, er solle die Klappe halten. Heute hat der Dorftrottel ein Online-Forum.« Und wenn unser Stamm-Hirn mit der modernen Welt überfordert ist, sucht es die alte Einfachheit, wie der Trottel sie liefert. Darum beschäftigt sich Littvay mit Populismus und Verschwörungstheorien.